Film Music Masters Jerry Goldsmith

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Film Music Masters: Jerry Goldsmith

Film Music Masters: Jerry Goldsmith

Music From The Movies / 2005

Laufzeit: 71 min

 

Regie: Fred Karlin

Drehbuch: -

Score: Jerry Goldsmith

 

Der scheinbar unaufhaltsame Siegeszug der DVD hat auch für Filmmusikhörer manch Positives bewirkt: Neben dem dramatischen Qualitätsgewinn in der Wiedergabe von Bild und Ton begeistert vor allem die umfangreiche Zusatzausstattung des Mediums. Dokumetnationen und Audio-Kommentare von Filmkomponisten gilt es da ebenso zu entdecken wie komplette Scores auf isolierten Tonspuren, wobei letzteres aufgrund kommerzieller Überlegungen der Studios bislang die Ausnahme bleibt.

 

Im Sinne einer eigenständigen Kunstform erfährt die Filmmusik freilich auch im Zeitalter der DVD nicht die Würdigung, die ihr zusteht. Dies liegt sicher auch an Erfahrungen, die mit einem derartigen Versuch in der Ära VHS gemacht worden sind: 1993 plante Filmkomponist Fred Karlin (1936-2004) die Produktion einer Serie mit dem Namen „Film Music Masters“, von der lediglich ein Teil verwirklicht werden konnte. Karlin musste sein ambitoiniertes Projekt wieder aufgeben, weil sich die 1994/95 entstandene Dokumentation über Jerry Goldsmith kommerziell zu einer Enttäuschung entwickelte.

 

Woran das lag? Mit Sicherheit nicht an der Qualität des Films, denn Film Music Masters: Jerry Goldsmith ist ein mehr als gelungenes Stück Infotainment. Die Ursache der kommerziellen Misere bleibt vielmehr im unglücklichen Vertriebsweg zu suchen. Selbst die 500 Exemplare der mit einem ausführlichen Begleitbuch versehenen Erstauflage blieben lange Zeit in den Regalen liegen. Aus diesem finanziellen Debakel sollte sich knapp zehn Jahre später die Möglichkeit ergeben, weitere 1500 Exemplare von Karlins ursprünglicher Lizenz auf DVD wieder zu veröffentlichen. Den rund 70 Minuten langen Hauptfilm begleitet dieses Mal zwar keinerlei Booklet, dafür jedoch eine Stunde ungeschnittener Ausschnitte der Scoring Sessions zu The River Wild sowie zusätzliche Interviews mit Weggefährten Goldsmiths.

 

Selbstverständlich ist es schwierig, dem Phänomen Jerry Goldsmith in nur 71 Minuten nachzuspüren und gerecht zu werden. Dennoch gelingt es Karlin in seinem Film, filmmusikalischen Neulingen ebenso interessante Einblicke zu ermöglichen wie erfahrenen Hörern. Der Regisseur illustriert einerseits auf anschauliche Weise Goldsmiths lange und fruchtbare Karriere und gewährt gleichzeitig tiefe Einblicke in die Produktion eines Filmscores – in diesem Falle der in nur drei Wochen fertiggestellten, leider kaum mehr als routinierten Partitur zu The River Wild (1994) ...

 

Bereits die erste Einstellung der Doku zeigt Goldsmith in Nahaufnahme bei der Einspielung eines kurzen Actiontracks zu River Wild. Der Ausschnitt zeichnet bewusst das Bild eines ganz in seiner Musik versunkenen Maestros, wobei später im Film deutlich wird, dass sich die Arbeit eines Studiodirigenten in Hollywood fernab der Konzertaufführungen eigenen Theatralik bewegt, ja vergleichsweise prosaisch anmutet: Technisch anspruchsvolle Passagen müssen in kürzester Zeit erarbeitet, umfangreiche Änderungen der Partitur spontan vom Dirigentenpult durchgeführt werden. Für einen reibungslosen Betrieb bedarf es da unbedingt eines Klangkörpers, der nähere Anleitung nur im Bereich Tempo und Dynamik benötigt und ansonsten fehlerfrei funktioniert. Mindestens ebenso wichtig ist natürlich ein eingespieltes Team im Hintergrund – als da wären Goldsmiths langjährige Orchestratoren Arthur Morton und Alexander Courage, Toningenieur Bruce Botnick und Music Editor Ken Hall, der für den partiell mathematisch anspruchvollen Integrationsprozess von Film und Musik verantwortlich ist. Die Interviews der zuletzt Genannten gestalten übrigens das Bonusmaterial der DVD durch zahlreiche Anekdoten besonders reizvoll.

 

Teils in Form kurzer Auszüge (z.B. The Omen, The Wind and the Lion), teils in einer informativen Beleuchtung der Konzeption (Patton, Islands in the Stream, Basic Instinct) gestaltet sich die Präsentation ausgewählter Goldsmith-Werke aus Vergangenheit und Gegenwart. Obwohl diese Momente für erfahrene Hörer wenig Neues bietet, fällt ihre Aufbereitung durch passende Filmausschnitte überzeugend aus. Reizvoll sind auch all die Momente, in denen Goldsmiths große Originalität aufblitzt, sei es in der Verwendung des durch seine äußeren Ausmaße und seinen unheilvollen Klang beeindruckenden „Blaster Beam“ in Star Trek: The Motion Picture oder den mit Handschuhen gespielten Glasstäben in Poltergeist.

 

Mindestens ebenso interessant dürfte es sein, Goldsmiths künstlerische Entwicklung nachzuvollziehen. So berichtet etwa der rüstige, bei Entstehung der Dokumentation bereits über 90-jährige Vater des Komponisten über die im Zeichen der Musik stehende Kindheit seines Sohnes. Ebenso enthält die Doku kurze Passagen aus Familienvideos, die den jugendlichen Goldsmith mit seinem ersten Klavierlehrer Jacob Gimpel zeigen.

 

Goldsmith spricht im Film ganz offen über seine Angst, für jeden Film einen immer neuen Ansatz zu finden. Unter oft immensem Zeitdruck musikalische Ideen zu sammeln und zu entwickeln, erfordert nicht nur starke Willenskraft, sondern auch ausgefeilte Arbeitstechniken. Anhand von Beispielen aus The River Wild erläutert Goldsmith das von ihm favorisierte, monothematische Vertonungskonzept, das sich durch die Verwendung variabler Subthemen und Motive auszeichnet. Passend dazu erlebt man die Entstehung mehrerer Cues „live“ von ihrer Skizzierung am Piano bis zum Moment der Einspielung mit.

 

Die viel beschworene Bewunderung Goldsmiths durch Kollegen, Regisseure und Musiker lässt sich in Karlins Film hautnah miterleben: Franklin J. Schaeffner und Paul Verhoeven als zwei Goldsmith auch privat nahestehende Regisseure sind wenig überraschend voll des Lobes über dessen dramaturgischen Instinkte und kongenialen Vertonungsideen, doch auch die Interviews mit Studiomusikern oder River Wild-Regisseur Curtis Hanson könnten den Zuschauer beinahe Vergessen machen, dass sich Goldsmith 1994 in der künstlerisch schwächsten Phase seiner Karriere befand ...

Das Bonusmaterial der MftM-DVD bietet neben den sechs bereits erwähnten Interviews vertiefende Einblicke in die Scoring Sessions zu River Wild. Dabei kann der Zuschauer die Einspielung von drei Suspense-Cues des Scores vollständig nachvollziehen. Besonders erheiternd sind die Proben und Aufnahmen des zweiten Stückes: Dem Orchester und einem (sichtlich) unter Zeitdruck stehenden Goldsmith bereiten die komplexe Rhythmik und dichten Streicherpassagen zunächst Schwierigkeiten. Selbst auf einer Goldsmith-Session geht also nicht jedes Detail problemlos über die Bühne geht ...

 

Technisch erweist sich die codefreie NTSC-DVD als zufriedenstellend: Der Stereo-Ton fällt größtenteils überzeugend aus, die Qualität der unterschiedlichen Bildquellen schwankt allerdings recht stark. Weitere marginale Kritikpunkte sind die spartanische Gestaltung der Menüs und das noch bescheidenere (sprich nicht vorhandene) Booklet.

 

 

Fazit: Film Music Masters: Jerry Goldsmith ist letztlich eine runde Sache. Der überzeugend strukturierte Film erweist sich weder als zu detailversessen, noch ergeht sich Karlin in oberflächlicher Lobhudelei. Die gewonnenen Einblicke liefern so einen wichtigen Beitrag zur Dokumentation der „Legende“ Jerry Goldsmith. Dessen ungeheure Professionalität und Leidenschaft mit zu erleben, lässt vermutlich nicht nur Fans des Komponisten das Herz aufgehen. Karlins informative wie kurzweilige Biografie kann daher nur jedermann empfohlen werden.

 

Jonas Uchtmann, 22.09.2005

 

Film:

4 von 6 Punkten

 

Ausstattung:

4 von 6 Punkten