Hostage - Entführung

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Hostage - Entführt

Hostage - Entführt

VCL / 09.09.2005

Laufzeit: 109 min

 

Regie: Florent Siri

Drehbuch: Doug Richardson, Robert Crais (Roman)

Score: Alexandre Desplat

 

Hostage mutet zu Anfangs an wie ein normaler Geiselthriller: Jeff Talley, ein ehemliger Unterhändler bei Geiselnahmen, hat sich wegen eines schief gelaufenen Einsatzes, bei dem eine ganze Familie ausgelöscht wurde, mehr oder minder selbst aus dem Verkehr gezogen und arbeitet nun als Kleinstadtsheriff. Seine Schuldgefühle hindern ihn ebenso wie seine Familie jedoch daran, an diesem neuen Leben Gefallen zu finden und in diese private Konfliktsituation drängt sich eine Geiselnahme in Talleys Zuständigkeitsbereich. Wenn man jetzt jedoch meint, den Film vorhersehen zu können und die Story lediglich die Überwindung von Talleys Dämonen zum Ziel hat, irrt man. Denn die drei jugendlichen Kleinkriminellen, die eher unfreiwillig zu Geiselnehmern werden, sind ebenso wie Talley in etwas hineingeschlittert, dessen Ausmaße größer sind. Das Haus, in dem die Geiselnahme stattfindet, ist nämlich das Privatanwesen eines zwielichtigen Buchhalters, der in illegale Machenschaften verstrickt ist. Dieser wird zusammen mit seinen Kindern nun jedoch daran gehindert, das Haus zu verlassen und seinen Auftraggebern eine dringend benötigte DVD auszuhändigen. Somit ist die Beendigung der Geiselnahme nicht nur im Sinne der Polizei sondern auch in dem eines ominösen kriminellen Konsortiums, dass vor keinem Mittel zurückschreckt, um an die DVD zu gelangen. Dies wird klar als die Familie des Unterhändlers Talley ihrerseits als Geisel genommen wird, um Talley zu einer rigideren und vor allem schnelleren Lösung des Konflikts zu zwingen.

 

Nicht nur aus dieser interessanten Spiegelung der Ausgangssituation konventioneller Geiseldramen zieht der handwerklich perfekt inszenierte Film Hostage einen Großteil seines Reizes. Das Drehbuch von Doug Richardson (nach einem Roman von Robert Crais) ist allgemein reich an Überraschungen und schafft es, die Spannung abseits ausgetretener Pfade über die gesamte Laufzeit des Filmes souverän aufrecht zu halten. Ein besonderer Pluspunkt ist dabei, dass auf unrealistische Ploteinfälle zugunsten von Spannungsmomenten aber auch auf technische Mätzchen weitestgehend verzichtet wird und man sich voll auf den stringenten Handlungsverlauf konzentriert. Der von Bruce Willis verkörperte Unterhändler Talley ist sauber charakterisiert worden, was man von den eher stereotypen aber auch nicht einfach blass gestalteten jugendlichen Geiselnehmern nicht behaupten kann. Letztes gestaltet sich jedoch nicht als weiter schlimm, da der Gewissenskonflikt Talleys ohnehin im Mittelpunkt des Filmes steht. Diesem ist als Unterhändler nämlich einerseits durchaus daran gelegen, die Geiselnahme ohne Tote zu beenden, andererseits zwingt ihn die Entführung seiner Familie dazu, das Leben der Geiseln und der Geiselnehmer in Gefahr zu bringen. In diesem Konflikt verhält sich Talley aber keinesfalls vorbildlich, er büßt durch die eigene Erpressung doch einen Großteil der nötigen Souveränität ein, die er als Unterhändler braucht. Schauspielerisch bietet der Film dabei von Bruce Willis' Seite zwar ebenso wie bei den anderen Akteuren keine wirklichen Glanzleistungen, unangenehm fällt im recht stimmigen Ensemble jedoch auch niemand auf.

 

Ebenso wie Drehbuchautor Richardson hätte auch der französische Regisseur Florent Siri mit Hostage kein besseres Empfehlungsschreiben für größere Projekte aufsetzen können. Seine gekonnte Inszenierung des Stoffes ist durchsetzt von Einflüssen des Film Noir, aber auch der Ästhetik David Finchers, wobei der Inszenierungsstil keinesfalls gehetzt wirkt, sondern sich angenehm auf vorwiegend klassische Stilmittel verlässt. Dabei stellt sich die angenehm unprätentiöse Filmmusik von Alexandre Desplat ebenso in den Dienst des Filmes, wie die glänzend eingefangenen Bilder des Kameramanns Giovanni Coltellacci, die immer wieder mit interessanten Licht- und Schattenspielen aufwarten. Auch die Ausstattung weiß zu überzeugen: Das auf Knopfdruck zur Festung umwandelbare Anwesen ist ein interessant entworfener, z.T. regelrecht sprechender Schauplatz, der einer interessanten Handlung den würdigen Rahmen gibt. Deren Auflösung hält nebenbei bemerkt auch das, was sie verspricht. Besonders die letzten Filme eines M. Shyamalan (vor allem The Village) aber auch die unnötigen Matrix-Fortsetzungen waren ja eher Negativbeispiele für einen interessanten Plotansatz und dessen recht magere Auflösung. Derartige Enttäuschungen erspart Hostage seinem Zuschauer, er führt alle Gedanken zu einem sinnvollen Ende. Gleichwohl ist auch hier nicht alles perfekt. Die Vielzahl an Charakteren macht es unmöglich, dass man außer Talley noch andere Personen näher kennen lernt. Lediglich dem Geiselnehmer Mars (sic!) wird noch etwas mehr Platz eingeräumt, jedoch nur, um ihn erst als Erzbösewicht einzuführen und ihm zum Schluss ein in eine unmotiviert wirkende Absolution mündendes Ableben zu gönnen, das der fast durchweg miese Charakter gar nicht verdient. Das ist insofern etwas ärgerlich, als dass der Film an – im Mainstreamkino z.Z. angesagten – metaphysischen Inhalten eher wenig interessiert ist, hier jedoch einen kleinen, wenn auch wenig tragischen Bruch erleidet. Im Großen und Ganzen ist Hostage dennoch intelligentes Unterhaltungskino, wie man es aus Hollywood heutzutage nur selten zu sehen bekommt und dass auch durchaus mehrmals zu unterhalten weiß.

 

Die am 9. September erschienene Doppel-DVD von VCL (produziert wurde der Film von Warner) zeigt den Film in makelloser Bild- und Tonqualität, wovon besonders die ausdrucksstarken Bilder profitieren, welche kontrastreich und farblich ausbalanciert wiedergegeben werden. An Tonspuren bietet VCL dem Käufer den englischen Originalton und die deutsche Synchronfassung in Dolby Digital 5.1 EX an, eine zusätzliche deutsche DTS-Spur hat ebenfalls Platz auf dem Silberling gefunden. Besonders in den Actionszenen haben die Boxen eifrig zu tun, abseits derer passiert jedoch wenig. Dennoch sind Bild und Ton ausnahmslos gut bis sehr gut.

 

Unter den vorwiegend auf der zweiten DVD platzierten Bonusmaterialien jedoch findet sich weniger Großartiges. Das leidlich informative großtönende „Making Of“ macht während seiner 15 Minuten im Endeffekt nur Werbung für den Film, damit also für ein Produkt, das der Käufer der DVD ohnehin schon besitzt, und bietet daher nichts anderes als die übliche hohle Phrasendrescherei, bei der Sprüche wie „He knows exactly what he wants!“ im Sekundentakt fallen und der Star des Films, Bruce Willis, mit Lob geradezu unterwürfig zugedeckt wird. Dass solche „Hyping Ofs“ mittlerweile zu jedem größeren Filmprodukt gehören, ist nicht weiter schlimm, allerdings sollte dergleichen auf DVDs nun wirklich nicht mehr untergebracht werden. Hier erwartet man genauere Informationen zum Film und keine Selbstbeweihräucherung. Wer harte Fakten abseits dessen sucht, wird im Audiokommentar des Regisseurs fündig, doch auch hier sollte man kritisch zuhören, denn Siri neigt dazu, viele Szenen durch seine Bemerkungen bedeutungsschwangerer machen zu wollen, als sie eigentlich sind. Das oberste Gebot vieler Künstler, ihre Werke für sich sprechen zu lassen, haben erstaunlicherweise sehr wenige (Hollywood-)Regisseure wirklich verinnerlicht, wenn man viele Audiokommentare einmal querhört. Nichtsdestotrotz ist der Audiokommentar auf der ersten DVD sehr interessant, sieht man einmal vom einfachen bis behelfsmäßigen Englisch des Franzosen Siri ab, das zuweilen anstrengt. Zu den weiteren Extras zählen erweiterte oder gänzlich geschnittene Szenen (eigentlich immer eine sehr aufschlussreiche Angelegenheit) sowie ein leider unkommentierter Vergleich der Geschehnisse vor und hinter der Kamera, bei dem die Filmbilder mit denen einer während dem Dreh hinter der Filmcrew platzierten Kamera verglichen werden, der sogenannten „B-Roll“. Eine nette Nebensache stellen die Menüs dar, die im Stil der einfallsreichen Titelsequenz des Films gestaltet sind, von der es auch eine Version ohne Text zu begutachten gibt. Die äußere Aufmachung der DVD im Pappschuber macht sich darüber hinaus nett im Regal.

 

Fazit: Der geradezu überraschend gute, dicht erzählte und stilistisch weitestgehend geschlossene Thriller erfährt auf der DVD eine bild- und tontechnisch tadellose Präsentation, an die Extras wurde nur teilweise Mühe verwendet, das Gebotene ist aber noch knapp befriedigend. Also ist an einer mit leichten Vorbehalten versehenen Kaufempfehlung nichts zu rütteln.

 

Sebastian Schwittay, 22.09.2005

 

 

Film:

4 von 6 Punkten

 

Ausstattung:

3 von 6 Punkten